Anlässlich eines Besuches auf dem „Affenberg“ in Villach Landskron blieb Minister Polaschek zwar keine weitere Zeit für Schulbesuche, aber für ein Interview mit der Woche Kärnten (8. Juni 2022).
Die Überschrift „Das Image der Lehrer soll verbessert werden“ bringt mich etwas zum Kopfschütteln. „Warum ist denn das Image schlecht?“, frage ich mich.
Weil unsere Gesellschaft gerne schimpft, ob berechtigt oder nicht berechtigt, ob durch Fakten belegt oder aus dem Bauch heraus. Früher hätte man sich das nicht getraut – aber in einer offenen Gesellschaft ist alles erlaubt – von jedem und jeder. Und jeder redet mit, ob er im Recht ist oder auch nicht.
Der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Winterhoff hat vor Jahren ein Buch (mit einem Folgeband) herausgegeben mit dem Titel „Warum unsere Kinder Tyrannen sind“. Er sieht darin viele Eltern in einer Art Symbiose mit ihrem Kind. Dadurch, dass das Kind als „verlängerte Gliedmaße“ des Elternteils fungiert, werden Lehrer von Eltern öfter attackiert, mit Schuldzuweisungen überhäuft und auch höhere Institutionen eingeschaltet, bevor mit den betroffenen Pädagoginnen und Pädagogen gesprochen wird. Mobbingvorwürfe gegenüber Lehrkräften, die Fehlverhalten mehrmals urgieren, um sich dem Unterrichten widmen zu können, gehört zu dieser Art von Tabubruch, der Spuren hinterlässt. Nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“.
In den letzten Jahrzehnten ist der Begriff „Disziplin“ negativ besetzt worden. Immer mehr hat man im Bildungsministerium und in den Landesschulräten (den Vorgängern der Bildungsdirektionen) die Schüler und Eltern mitreden lassen, wie Unterricht funktioniert. Auch Regeln werden von Eltern gebrochen und Kinder zuhause behalten, wenn ein Test nicht geschrieben werden soll. Eine Entschuldigung ist schnell geschrieben. Das Signal an den Nachwuchs ist aber auch eindeutig. Dies konterkariert was an Schulen wichtig wäre – klare Regeln mit klaren Konsequenzen. Die Autorität des Lehrpersonals wurde so mit der Zeit untergraben. Polaschek zur „Woche“:
„In Österreich passieren viele tolle Dingen an den Schulen, trotzdem gibt es einen eher negativ geprägten Diskurs, etwa nach Pisa-Testungen. Spricht man immer schlecht über Schulen, so glauben das die Leute irgendwann.“
Irgendwie mutet diese Äußerung naiv an. Nur weil das angeblich gesagt wird, glauben es die Menschen? Wo doch jeder Staatsbürger Schulen besucht hat und sich selbst ein Bild gemacht hat, schlechte Noten mit Frusterlebnissen hatte oder auch gute aufgrund von Anstrengung und Talent. Lehrer sind keine Freunde – können das in ihrer Rolle auch gar nicht. Nein, sie sind Autoritätspersonen, als die sie oft nicht mehr betrachtet werden und vielfach zum „Freiwild“ mutiert – mit Angst von Anwälten in die Knie gezwungen zu werden oder verbalen, sogar körperlichen Attacken ihrer Schützlinge oder deren Eltern ausgesetzt sind. Weit haben wir es als Gesellschaft gebracht!
Jeder 6. Lehrer möchte aufhören oder sucht nach Alternativen. Die Ausbildung wurde verlängert, aber nicht wirklich verbessert. Nun fehlt Personal ohne die Pensionierungen zu berücksichtigen. Quereinsteiger sollen nun die Lösung bringen. Vor allem die Mittelschulen in den Ballungsräumen werden zu „Restschulen“ und „Auffanglagern“ für problematische Schüler und Neuzugänge, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Diese Situation in den Klassen sorgt für verbale und körperliche Gewalt, Mobbing und andere Verhaltensauffälligkeiten. Die Rolle der Lehrkraft liegt aber primär am Vermitteln von Kompetenzen und nicht am ständigen Disziplinieren. Es muss möglich sein, verhaltensauffällige Schüler, die das System im Unterrichtsgeschehen zum Kippen bringen, durch Supportpersonal begleiten zu lassen und aus dem Unterricht zeitweilig zu entfernen, wenn nötig. Damit diejenigen etwas lernen können, die wollen. In einer angenehmen Lernatmosphäre. Und nicht zur Kenntnis zu nehmen, dass man eben nichts lernt – trotz dem Bemühen der Lehrkräfte.
Ich denke all das ist Martin Polaschek nicht wirklich bewusst. Leere Worthülsen lösen keine Probleme. Masken und Testungen auch nicht. Daran wird konkret gearbeitet. Wo die angeblich 20 Prozent mehr Schulpsychologen und die angeblich doppelte Anzahl an Sozialarbeitern eingesetzt werden, wäre interessant zu wissen. Mir sind sie bis jetzt nicht begegnet. (13.6.2022)
ACHTUNG DATENSCHUTZ! Die QMS Plattform erreicht man unter www.iquesonline.net und es können dort Fragebögen erstellt werden nachdem ein eigener Account eingerichtet wurde. Beim Individualfeedback ist allerdings nicht geklärt, ob die erhobenen Daten für die Bildungsdirektionen oder das Ministerium ersichtlich sind bzw. ob diese anonymisiert werden. Zumindest ist Skepsis angebracht, wenn man sich ansieht, dass es Fragebögen (a) für weibliches Lehrpersonal und Fragebögen (b) für männliches Lehrpersonal gibt. Soll eine Genderstudie aus diesen Daten erfolgen?
Deshalb empfehlen wir den Personalvertretungen an den Schulen, die Garantie der Bildungsdirektionen einzufordern, dass diese Daten nicht zum Disziplinieren von Lehrkräften verwendet werden! Dass der Datenschutz in Zeiten von Covid nicht mehr ernst genommen wurde, ist bekannt. Dass auch eine Lehrerapp eines Schülers über Monate vom Dienstgeber geduldet wurde, eine andere traurige Tatsache.
Die Verpflichtung jedes Lehrers zumindest ein Individualfeedback pro Jahr von seinen Schülern einzuholen, die zuvor freiwillig erfolgte, ist eine Neuerung. Die Tatsache, dass unsere (jüngeren) Schüler zwar nicht geschult sind, konstruktives Feedback zu geben - ihre Lehrkräfte aber anonym beurteilen dürfen - spricht für das Abwälzen von Problemen der Verantwortlichen an die Schulen. Das nennt man dann gelebte Schulautonomie.
Was passiert mit den Daten? Laut Information des Ministeriums dient QMS der "Rechenschaftslegung gegenüber Institutionen, Vorgesetzten und der Öffentlichkeit". Misstrauen bleibt angesichts dieser Formulierungen! Qualitätsmanagement ja - aber fair und zielführend! Mit kompetenten Prozessbegleitern und keinen politischen Günstlingen!